Im Januar 2021 ergab eine Umfrage der Vereinten Nationen mit 1,2 Millionen Befragten aus 50 Ländern, dass 64 Prozent der Menschen den Klimawandel als Notstand betrachten.1 Das Thema Klimaschutz ist wichtig, wie wichtig sehen wir tagtäglich immer wieder deutlich genug. Zuletzt gingen dafür mal wieder tausende Menschen auf die Straßen, um am globalen Klimastreik von Fridays for Future teilzunehmen, allein in Deutschland beteiligten sich etwa 620.000 Personen.2 Einige Länder, aber vor allem viele Kommunen haben auf diesen, in den letzten Jahren deutlich zunehmenden öffentlichen Druck reagiert und den Klimanotstand ausgerufen. Was das bedeutet und welche Konflikte es bei der Umsetzung von Klimazielen im Bezug auf das politische System gibt, erfährst du hier.
Was ist der Klimanotstand überhaupt?
Der Begriff „Klimanotstand“ ist die deutsche Übersetzung für „climate emergency“, ein Begriff, der im Dezember 2018 so richtig durch den Club of Rome3 auftauchte, nachdem dieser vor dem EU-Parlament die „Dringlichkeit einer aktiven Klimapolitik“ 4 deutlich machte. Laut Expert*innen ist schließlich längst klar: die weltweiten Emissionen müssen bis Mitte des Jahrhunderts auf null heruntergefahren werden, dafür sind Sofortmaßnahmen („emergency actions“) dringend notwendig.5 Seitdem taucht der Begriff immer häufiger auf, vor allem im Zusammenhang mit der Politik. Dahinter steckt allerdings keine klare Definition und viel wichtiger, der Ausdruck enthält keinerlei rechtliche Bindung. Das bedeutet, dass für den Ausruf des Klimanotstands weder bestimmte Voraussetzungen erforderlich sind, noch bestimmte Regelungen eingehalten werden müssen. Demnach folgen auch keine Konsequenzen bei Nichteinhaltung selbstgegebener Zielsetzungen. Außerdem haben politische Instanzen oder Personen keine neuen Kompetenzen durch die Verkündung des Klimanotstands.6
Der Klimanotstand wird also ausgerufen. Das kann sowohl durch Wissenschaftler als auch durch die Politik geschehen. Hierbei spielt die Größe der betroffenen Region keine Rolle. Klimanotstand kann von kleinen Orten, Kommunen, Landkreisen aber auch ganzen Nationen verkündet werden, also auf kleiner sowie auf größerer Ebene.5 Mittlerweile haben 2028 (Lokal-)Regierungen in 35 Ländern, darunter auch die Europäische Union, den Klimanotstand ausgerufen. In den Ländern, die den Klimanotstand erklärt haben, leben über 1 Milliarde Menschen.7 Als erste deutsche Stadt machte Konstanz am 2. Mai 2019 diesen Schritt.8 Für die Politik und die Bevölkerung bedeutet Klimanotstand allerdings vorerst nur, dass emissionsreduzierenden Maßnahmen eine höhere Priorität zugeschrieben werden soll. Im Kern geht es nämlich um die Emissionsreduktion auf Null bis spätestens 2050. Dabei soll auf kommunaler Ebene der Klimanotstand die Klimaschutzanstrengungen auf der Agenda hervorheben, um vor allem schon beschlossene Maßnahmen und Ziele endlich anzugehen und zu realisieren.5
Grundsätzlich ist der Begriff „Klimanotstand“ eher Symbolpolitik als alles andere, schließlich hat eine Kommune oder auch eine Nation keinerlei (rechtliche) Verpflichtungen nach dem Ausruf. Das Ausrufen ist vielmehr ein politischer Appell, vor allem wenn die Initiative dafür auf kleinerer, lokaler Ebene beginnt. Je mehr Kommunen den Klimanotstand ausrufen, desto größer ist der Appell an die nationale Regierung, endlich etwas zu unternehmen. Das Ausrufen eines Notstandes ist insofern sehr hilfreich, da es ein deutliches Gefühl der Dringlichkeit und des Handlungsbedarfs vermittelt. Vor allem an diejenigen, die die Macht haben, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen. Echte Auswirkungen wird es allerdings nur dann geben, wenn konkrete Pläne auf den Weg gebracht und umgesetzt werden.9
Wie lässt sich Klimaschutz durchsetzen? – demokratische vs. autoritäre Staaten
Mit dem Thema Klimanotstand geht automatisch die Fragestellung nach der Umsetzung von klimaschützenden Maßnahmen einher. Immer häufiger kritisieren Forscher*innen aber auch die Zivilbevölkerung die fehlende Durchsetzung von Zielen beim Kampf gegen die Klimakrise. Teilweise gerät in diesem Zusammenhang der demokratische Ansatz in die Schusslinie. Unter den Klimaforscher*innen gibt es mittlerweile eine Reihe von Kritiker*innen der Demokratie, die glauben, dass nur autokratische Regierungen die Katastrophe noch abwenden können. Sie beklagen nicht mehr nur, dass auf die Erkenntnis kein politisches Handeln folgt, sondern sehen zunehmend eine ineffektive Demokratie als Schuldigen dahinter.10 Laut ihnen seien autoritäre Staaten, wie beispielsweise China, wesentlich wirkungsvollere Klimaschützer als die westlichen Demokratien. Aufgrund dieser immer häufiger vertretenen Meinung fürchten einige das Dasein und vor allem auch die eigentlich positive Entwicklung von Demokratien. Demokratien stehen somit vor der Herausforderung, zu beweisen, dass sie trotz bürgerlicher Freiheiten und politischer Partizipation zu nachhaltiger, effektiver Klimapolitik in der Lage sind.11
Nachhaltige Demokratie, ist das möglich?
Ja, Klimaschutz und Demokratie lassen sich definitiv in Einklang bringen, sie sind sogar wichtig füreinander. Über die grundsätzlichen Vorteile der Demokratie soll es hier zunächst gar nicht gehen, sondern um die Bedeutung für den Klimaschutz. Hierbei ist Demokratie nämlich vor allem eine Chance, das Problem gemeinsam anzugehen. Klimaschutz aus eigener Überzeugung ist nämlich wesentlich wirksamer als durch ein Regime aufgezwängte Pflichten, die erfüllt werden müssen. Das bedeutet, dass Menschen eher zu einer Änderung ihres Lebensstils bereit sind, wenn sie in die Schaffung von Alternativen einbezogen werden.12 Zum Beispiel bei den Themen Mobilität oder Energieversorgung. Außerdem ist aber der öffentliche Druck auf die Politik durch beispielsweise Demonstrationen stark angestiegen. Die vielen Anhänger*innen hierbei zeigen doch allein schon, dass sie nicht nur Handlungen fordern, sondern auch selbst Handeln möchten und das gemeinsam. Bei einem so komplexen Thema wie (globalem) Klimaschutz ist außerdem Expertise, Kreativität und lösungsorientiertes Arbeiten gefragt und zwar von möglichst vielen Menschen. Ein autoritäres System ist in Sachen Klimaschutz schon deshalb fragwürdig, weil ein Mensch oder eine kleine Gruppe allein die Politik macht und die Maßnahmen durchsetzt. Wenn sich eines bewährt hat, dann dass Krisen immer besser zu bewältigen sind, wenn man sie gemeinsam angeht. Wichtig dabei ist nur, dass auf Erkenntnisse, Reden und Maßnahmen, wie das Ausrufen des Klimanotstands, auch Taten folgen.13
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(1) https://www.undp.org/sites/g/files/zskgke326/files/publications/UNDP-Oxford-Peoples-Climate-Vote-Results.pdf
(2) https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/klimastreik-fridaysforfuture-101.html
(3) Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss von Experten verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern und wurde 1968 gegründet. Die gemeinnützige Organisation setzt sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein https://www.clubofrome.org/
(4) The Planetary Emergency Plan – Club of Rome
(5) https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/21650-rtkl-klimakrise-was-ist-eigentlich-der-klimanotstand-und-was-bringt-er
(6) https://blog.energiedienst.de/klimanotstand/
(7) Climate emergency declarations in 2,030 jurisdictions and local governments cover 1 billion citizens – Climate Emergency Declaration
(8) https://www.rnd.de/wissen/diese-67-deutschen-stadte-haben-den-klimanotstand-ausgerufen-EJ75XRV6RJF2PDGVJFKGU22CGI.html
(9) https://reset.org/blog/was-bedeutet-es-wenn-der-klimanotstand-erklaert-wird-und-wie-kann-das-helfen-11192019
(10) https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/forscher-glauben-autokratien-koennen-klimawandel-abwenden-13941004.html
(11) Wer leistet den besseren Klimaschutz? – klimareporter°
(12) https://www.iass-potsdam.de/de/news/demokratie-ist-gut-fuer-den-klimaschutz
(13) https://www.spektrum.de/kolumne/demokratie-und-klimawandel/1670468