Von der Straße aus blicken wir auf zwei Hochhäuser, deren Fassade vollständig begrünt sind.

Heute-Stadt-Morgen: Der vertikale Wald

Das Leben in Städten bedeutet für den Menschen viele Vorteile, wie beispielsweise ein größeres kulturelles Angebot und eine bessere Infrastruktur. Die Natur allerdings leidet besonders in Großstädten unter der Flächenversiegelung, welche wiederrum zur Bildung von Wärmeinseln, Luftverschmutzung und zu dem Verlust der Biodiversität führt.

Um das urbane Leben mit der Natur zu vereinen und dieses letztendlich auch für den Menschen lebenswerter zu machen, gibt es verschiedene Projekte.
Eines dieser Projekte stellen die Aufforstungsprojekte „vertikale Wälder“ des italienischen Architekten Stefano Boeri da. Diese bilden nicht nur Wohnraum für Menschen, Pflanzen und Tiere, sondern vergrößern auch die Grünfläche einer Stadt.

Vertical ForestING

Seit 1993 widmet sich Stefano Boeri und sein Team, heute mit Sitz in Mailand, der Forschung und Praxis von Urbanismus und Architektur. Gemeinsam mit einem Netzwerk bestehend aus Ingenieurbüros, Landschaftsarchitekt*innen und Sozialwissenschaftler*innen plant und ermöglicht das Team um Stefano Boeri vertikale Wälder in den Städten weltweit. [1]

Mailands vertikaler Wald

Das wohl berühmteste Projekt der Vertical ForestING ist der 2014 fertiggestellte Vertikale Wald in Mailand.

Für jede*n menschlichen Bewohner*in ist auf diesen zwei Wohnhäusern eine Menge von 2 Bäumen, 8 Sträuchern und 40 Büschen festgelegt worden. Mit mehr als 700 Bäumen und 20.000 Pflanzen bedeckt, ist der Milan Vertical Forest deshalb ein Zuhause für Pflanzen, das auch von 350 Menschen bewohnt werden kann.
Die Bepflanzung wurde so geplant, dass sie einen Grünfilter bildet. Dieser Filter übernimmt gleichzeitig vier Aufgaben:

  • die Aufnahme der vom Stadtverkehr erzeugten Feinstaubpartikel
  • die Produktion von Sauerstoff
  • die Aufnahme von CO2
  • den Lärmschutz für die Balkone und Innenräume der Türme

Aber nicht nur verbessert der Milan Vertical Forest die verschmutzte Großstadtluft Mailands, auch entzieht er der Umgebung Wärme. Die Bäume und Sträucher des Turms werden nämlich mit Grundwasser bewässert, das mit Hilfe eines Pumpensystems und Solarzellen in alle Töpfe des Gebäudes gelangt. Das verbrauchte Wasser verdampft dann in die Atmosphäre und kühlt diese somit ab. Die Außentemperatur kann dadurch bis zu 3 Grad Celsius gesenkt werden.

Auch die Biodiversität wird durch den Milan Vertical Forest gefördert. Unter anderem beherbergt er 15 Baumarten, 45 Sträucher, 34 Staudenarten, mehr als 20 Vogelarten, sowie zahlreiche Insektenarten.
Um die Pflanzen kümmern sich einerseits die sogenannten „fliegenden Gärtner*innen“, die erst nach dem Fassadenklettern gärtnern können, andererseits Marienkäfer. Diese wurden freigesetzt, um Pflanzenschädlinge ganz ohne Pestizide bekämpfen zu können. [2]

Die ersten vertikalen Wälder Chinas

Seit Anfang 2021 sind in China gleich zwei vertikale Wälder, beide ebenfalls von der Vertical ForestING geplant, zu finden.

In Huangang in der Hubei Provinz ist der vertikale Wald das Zuhause von 395 Bäumen, 3 600 Sträuchern, 12.000 Stauden und 500 Menschen.
Der Nanjing Vertical Forest besteht aus insgesamt zwei Türmen und ist das Zuhause von insgesamt 800 Bäumen, und über 2 500 Sträuchern. Bis zu 18 Tonnen CO2 und 16,5 Tonnen Sauerstoff sollen hier pro Jahr aufgenommen und produziert werden. Sowohl in Huanggang, als auch in Nanjing wurde darauf geachtet, dass die einheimischen aber auch nicht invasiven Pflanzenarten der jeweiligen Region für die Begrünung der Türme verwendet wurden. [3]

Liuzhou Forest City

In Chinas Provinz Guangxi, eines der am stärksten von Smog betroffenen städtischen Gebiete der Welt, nördlich von Liuzhou findet man Liuzhou Forest City. 
Die erste Waldstadt der Welt ist eine städtische Einrichtung für 30.000 Einwohner*innen und etwa 40.000 Bäume und 1 Millionen Pflanzen. Die Häuser, Bürogebäude sowie die Hotels, Krankenhäuser und Schulen sind hier fast vollständig von Pflanzen bedeckt.
Liuzhou Forest City soll pro Jahr etwa 10.000 Tonnen CO2 und 57 Tonnen Mikropartikel aufnehmen sowie gleichzeitig etwa 900 Tonnen Sauerstoff produzieren.

Verbunden mit dem Zentrum von Liuzhou wird die neue grüne Stadt durch ein Schienennetz für Höchstgeschwindigkeitszüge und ein Straßennetz, auf welchem ausschließlich E-Autos fahren dürfen. [4]

Grüne Zukunftsstädte

Auch wenn Städte nur 3% der Erdoberfläche bedecken, verbrauchen sie 75% der weltweiten Energie und tragen zu 70% der globalen CO2-Emissionen bei. [5] Stadtentwicklungs-Projekte, wie die hier vorgestellten vertikalen Wälder, können nicht nur mehrere Umweltschutz-Probleme zeitgleich lösen. Auch bieten sie nebenbei noch Wohnraum.
Das Team von Stefano Boeri zeigt uns, dass Zukunftsstädte nicht nur grün sein sollen, sondern auch artenreich und sauber sein können!

Mehr zu dem Thema Zukunftsstädte findet ihr in unserem Blogbeitrag „So könnten unsere Städte in Zukunft aussehen“!


Quellen

[1] Studio Shanghai | Stefano Boeri Architetti

[2] Vertical ForestING | Stefano Boeri Architetti

[3] Die von Stefano Boeri entworfenen vertikalen Wälder wachsen in China (internimagazine.it)

[4] Liuzhou Forest City: In China entsteht die erste vollständig begrünte Stadt (trendsderzukunft.de)

[5] vertikaler Wald von Nanjing wächst; Lernen von Bosco Verticale | Der Nanjinger (thenanjinger.com)

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  • Mailin Müller

    Projektteam PRIO1 - Das Klima-Netzwerk

    Mailin ist Werkstudentin und seit Anfang September Teil des Projektteams von PRIO1. Erfahren hat sie von PRIO1 über ihr Praktikum in der Klima Arena und als die Stelle der Werkstudent*in frei wurde, konnte die Chance nicht ungenutzt gelassen werden. Neben PRIO1 ist Mailin auch in ihrem letzten Studienjahr angekommen. In Heidelberg studiert sie Ethnologie, besonderes Interesse findet sie dabei an den verschiedenen Möglichkeiten unsere Welt wahrzunehmen und mit den Veränderungen in dieser umzugehen. Um den Kopf freizubekommen, geht sie im Sommer Rollschuhfahren und im Winter Schlittschuhlaufen und experimentiert, besonders seit der Pandemie, gerne ein wenig in der Küche mit neuen Rezeptideen. Auch wenn die Auswirkungen des Klimawandels hin und da betäubend wirken, ist Mailin immer wieder fasziniert von all den Möglichkeiten und der Kreativität, die aus den Herausforderungen entstehen, und freut sich über das wachsende Bewusstsein in den Mehrheitsbevölkerungen, dass Vielfalt immer die Antwort ist.

    Wissenschaftlerin mit Weltkugel in Reagenzglas
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